1. Gedenkrundgang 2019 und Liederabend

Am 4. Juni 2019 stellen wir die ersten Liesinger Steine der Erinnerung in diesem Jahr vor. Bezirksvorsteher Gerald Bischof, der die Tätigkeit unseres Vereins wesentlich unterstützt, wird bei den ersten Gedenksteinen in der Endresstraße 93 sprechen.

Im Anschluss an den Gedenkrundgang findet in der Bücherei Liesing ein Liederabend mit Martin Auer statt.

Gedenkveranstaltung Dienstag, 4. Juni 2019 ab 17:00 Uhr

Gedenkrundgang: 17:00 Uhr
1. Station: Endresstraße 93-95, 1230 Wien
Gedenkwort: Gerald Bischof, Bezirksvorsteher Liesing
Stein 1: Katharina Biedermann, Hausfrau
Stein 2: Adele, Karl und Bruno Plaschkes
2. Station: Rudolf Waisenhorngasse 86
Stein 3: Philip Kronberger

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„Jid du Partisaner“: Ein LIEDERABEND mit Martin Auer: 18:15 Uhr
Lieder vom Widerstand gegen den Faschismus und gegen den Zarismus, Lieder der jüdischen ArbeiterInnenbewegung und über die Arbeit der kleinen Leute im Shteytl.
Mehr zu diesem Liederabend
Bücherei Liesing
Breitenfurter Straße 358, 1230 Wien

Insgesamt planen wir in diesem Jahr acht neue Gedenksteine für zehn Personen. Wir stellen sie an zwei weiteren Terminen vor: am Samstag, 14. September 2019 und am Samstag, 9. November 2019.

Beim letzten Termin am 9. November 2019 wird es wie im vergangenen Jahr einen Fackelzug zum ehemaligen Standort der Liesinger Synagoge geben. Mehr als 400 Menschen waren 2018 bei diesem Gedenkrundgang dabei. Mit unserem Gedenkrundgang wollen wir auch in diesem Jahr ein leuchtendes Zeichen der Erinnerung setzen: Niemals vergessen! Nie wieder Faschismus!

Geh-Café und Bertha-Neumann-Park

Das Wiener Geh-Café macht am 2. April 2019 Station in Liesing. Es wird einiges zu sehen und zu hören geben, u. a. zur 1. Wiener Hochquellwasserleitung sowie zur Liesinger Brauerei und es können Vorschläge zum Zufußgehen in Liesing gegeben werden. Die Steine der Erinnerung sind auch dabei und werden zu Bertha Neumann sprechen.

Bertha Neumann (geb. Kunreuther) war eine der frühesten Staatswissenschafterinnen in Deutschland. Sie war eine der ersten Studierenden an der neu gegründeten Universität Frankfurt, und 1917 eine der ersten Promovendinnen. 1922 heiratete sie nach Liesing – den beliebten Arzt Dr. Karl Neumann. Sie lebten in der heutigen Dirmhirngasse 25. Bertha Neumann wurde im Zuge des Holocaust in Auschwitz ermordet. Nach ihrem Mann ist in Liesing die Dr.-Karl-Neumann-Gasse benannt.

Geh – Café Liesing
Dienstag, 02.04.2019 16:00 – 18:00 Uhr
Treffpunkt: Bücherei Liesing, Breitenfurter Straße 358, 1230 Wien

Bilder vom Rundgang

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Schlusspunkt des Rundgangs: Der neue Bertha-Neumann-Park.

Fotos: Mobilitätsagentur/Christian Fürthner

Neue Steine der Erinnerung 2019

In diesem Jahr planen wir acht neue Gedenksteine für insgesamt zehn Personen. Wir werden diese Steine der Erinnerung an drei Terminen vorstellen.

Zum Auftakt wird es am 4. Juni 2019 eine begleitende Veranstaltung geben. Schlusspunkt ist der Rundgang am 9. November 2019, bei dem wir außerdem eine Gedenkveranstaltung am Standort der Synagoge in Liesing planen.

Die drei Termine im Überblick: 

Dienstag, 4. Juni 2019 um 17.00 Uhr

Stein 1:
Frau Katharina Biedermann, Hausfrau (14.6.1884)
Endresstraße 93- 95

Stein 2:
Familie Adele, Karl und Bruno Plaschkes (9.4.1902, 16.9.1900, 11.3.1938)
Endresstraße 93- 95

Stein 3:
Herr Philip Kronberger, Kaufmann (19.9.1869)
Rudolf Waisenhorngasse 86

Samstag, 14. September 2019 um 15.00 Uhr

Stein 4:
Frau Ciehawa Zdzistawa 
(6.4.1922)
Franz Parsche Gasse 6

Stein 5:
Herr Bernhard Wittner (1.3.1888)
Breitenfurter Straße 219

Samstag, 9. November 2019 um 15.00 Uhr

Stein 6:
Herr Josef Pluhar, Hilfsarbeiter (7.3.1911)
Brennergasse 6

Stein 7:
Frau Olga Adler, geb. Hacker, Schneiderin (12.7.1917) Autofabrikstraße 5

Stein 8:
Herr Rudolf Hawel, Schuhmacher (11.4.1891) Carlbergergasse 45

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Wir suchen für die Gedenksteine Spender und Spenderinnen, Paten/Patinnen. Bitte unterstützen Sie uns.

Kontonummer: AT961400004010897608
BIC: BAWAATWW

Ein leuchtendes Zeichen der Erinnerung

An die 400 Menschen kamen am 9. November 2018 zu Lichtsignal Synagoge Liesing, um an die Zerstörung der Liesinger Synagoge vor 80 Jahren zu erinnern. Unsere Gedenkveranstaltung begann am Liesinger Platz, Bezirksvorsteher Gerald Bischof unterstrich dort die Wichtigkeit des Sich-Erinnerns gerade in heutigen Zeiten. Anschließend zogen wir mit einer Lichterkette zum ehemaligen Standort der Synagoge in der Dirmhirngasse 112.

Amtshaus_Lisbeth_KovacicProjektion auf das Amtshaus (Foto: Lisbeth Kovacic)

„Viele Menschen haben uns an diesem Abend gesagt, dass ihnen bisher gar nicht bewusst war, dass sich hier eine Synagoge befunden hat. Wir haben dieses Gebäude für einen Abend wieder sichtbar gemacht und damit eine aktive Auseinandersetzung mit den Verbrechen des Holocausts angeregt. Es hat uns sehr gefreut, dass so vielen Menschen in Liesing die Erinnerungskultur ein Anliegen ist“, sagt Waltraut Kovacic von unserem Verein Steine der Erinnerung, der diese urbane Intervention initiiert hat.

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Am Liesinger Amtshaus und am Gebäude an der Stelle der Synagoge waren an diesem Abend Computer-Rekonstruktionen der zerstörten Synagoge zu sehen. Am ehemaligen Standort der Synagoge wird es nun ein permanentes Lichtzeichen geben. Das Jüdische Museum Wien realisierte bei 25 zerstörten Wiener Synagogen Lichtskulpturen, die ab jetzt jeden Abend beleuchtet werden.

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Richard von Weizäcker hat einmal gesagt: „Vergangenheit kann man nicht bewältigen, man kann sie nur verantwortlich zu verstehen versuchen.“ Mit unserer Veranstaltung am 9. November 2018 wollten wir dazu einen Beitrag leisten und die Erinnerungskultur im Bezirk stärken. Wir alle tragen Verantwortung, was in unserer Gesellschaft geschieht und es ist wichtig zu verstehen, wie es dazu kommen konnte, dass ohne Widerstand der Bevölkerung alle bis auf eine Synagoge in Wien verbrannt, gesprengt und geplündert wurden. Die Synagoge in Liesing war eine der vielen, die beim Novemberpogrom zerstört wurden. Sie war nicht nur faktisch ausradiert, sondern auch aus dem allgemeinen Gedächtnis verschwunden. Selbst im Bezirk war lange kaum bekannt, wo sich die Synagoge genau befunden hatte, seit ein paar Jahren gibt es nun eine Gedenktafel am Nachbargrund. 80 Jahre nach ihrer Zerstörung sollte die Synagoge nun für eine Nacht sichtbar werden: am Amtshaus, um die politische Verantwortung zu symbolisieren und  in der Dirmhirngasse, wo sie stand.

Projektion auf den Standort der Synagoge – Dirmhirngasse 112 (Foto: Michael Klemsch)

Danke für die Unterstützung!
Dass dies möglich wurde, verdanken wir sehr vielen Menschen: Besonders bedanken möchten wir uns bei Bezirksvorsteher Gerald Bischof – für sein Mitdenken und seine ideelle sowie praktische Unterstützung. Der Kulturausschuss des Bezirkes hat gemeinsam mit der Aktion Österreich100 des Bundeskanzleramtes unsere Veranstaltung finanziell unterstützt und damit die Realisierung ermöglicht.

Der Eventtechniker Erich Kulicskadie Grafikerin Maria Weilguni und die Videokünstlerin Lisbeth Kovacic haben uns in besonderem Ausmaß  unterstützt. Unser Dank gilt auch Alexander Kerkoc, der ganz uneingeschränkt und  selbstverständlich zur Projektion auf sein Firmengebäude ja gesagt hat. Er gilt ebenso dem Österreichischen Wachdienst (ÖWD) und der Firma Prangl, die wesentlich zum Gelingen beigetragen haben. Mit inhaltlicher Aufarbeitung und mit Projektiondateien haben Prof. Bob Martens und Arch. Herbert Peter sowie Gerald Netzl und Heide Liebhart unser Projekt unterstützt.  Zuletzt möchten wir uns ganz besonders bei der Lokalen Agenda 21 und Gabriele Bargehr bedanken, die den Verein Steine der Erinnerung  beständig unterstützen.

Ansprache_Menschen_KlemschVersammlung am Liesinger Platz (Foto: Michael Klemsch)

Gruppe_Holter2Gruppenfoto vor der Projektion beim Amtshaus (v.l.n.r.): Katharina Lischka (Projekt OT beim Jüdischen Museum Wien), Alexandra Kropf (Steine der Erinnerung in Liesing), Bezirksvorsteher Gerald Bischof, Waltraut Kovavic (Steine der Erinnerung in Liesing), Robert Patocka (Steine der Erinnerung in Liesing), Gabriele Bargehr (Lokale Agenda 21 Wien) (Foto: Fanny Holter)

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Das Novemberpogrom in Liesing und Wien

Durch Augenzeugenberichte und öffentliche Akten lässt sich heute weitgehend nachvollziehen, was im November 1938 in Liesing geschah. Die Berichte zeigen, dass die Zerstörung auch in Liesing von den Nationalsozialisten organisiert war, es war kein spontaner Volkszorn, so wie es die Nationalsozialisten darstellten.

005044_recto_Scan_JMW_Jüdisches Museum Wien- ArchivHistorische Ansicht der Synagoge Liesing (Quelle: Jüdisches Museum, Archiv)

Der Übergriff auf die Synagoge begann mit der Demolierung der Inneneinrichtung und dem Entwenden von Gegenständen. Am Nachmittag des 10. November 1938 bereiteten uniformierte Männer (SS) und bekannte Nationalsozialisten die Zerstörung vor. Darunter befanden sich auch zwei Baumeister aus der Region. Nach einer ersten Sprentung brannte das Gebäude, es folgtre eine zweite Sprengung.

Vor Ort versammelte sich eine große Zuschauermenge. Angeblich sollen auch Schulkinder zum Brandplatz geführt worden sein. Die Feuerwehr war vor Ort, sie verhinderte das Übergreifen des Feuers auf andere Gebäude. Einer der Baumeister führte im Anschluss Fenster und Türen weg und demolierte die Baureste. Ziegelsteine nutzte der Baumeister angeblich beim Bau eines Hauses für seinen Bruder in der gleichen Gasse.

Das Grundstück eignete sich schließlich die Schwester des seinerzeitigen Ortsbauernführers der NSDAP an, im Jahr 1942 wurden am Grundstück Notwohnungen errichtet. Nach dem Ende des NS-Zeit wurde das Grundstück der Israelitischen  Kultusgemeinde Wien rückgestellt, die es schließlich veräußerte. Heute befindet sich am Grundstück ein Gebäude der Firma Kerkoc. In diesem Zusammenhang ist wichtig: Die Firma Kerkoc steht mit den Ereignissen in keiner Verbindung und unterstützte freundlicherweise die Projektion am 9.11.2018 am Firmengrundstück.

Die Synagoge verschwand mit der Zerstörung im November 1938 völlig aus dem Stadtbild und auch weitgehend aus der Erinnerung – lange Zeit war nicht einmal bekannt, wo genau sich die Synagoge befunden hatte. Durch Recherchen in den Bauunterlagen konnte schließlich die heutige Adresse Dirmhirngasse 112 ermittelt werden.

In Wien besonders massive Ausschreitungen

Das Novemberpogrom war für die Nationalsozialisten ein Probelauf. Man wollte sehen: Wie weit kann man in der Gewalt gegen Juden gehen, ohne auf Widerstand der Bevölkerung zu stoßen?

Die Ausschreitungen rund um das Novemberpogram waren in Wien besonders massiv. Wien war für viele das Tor zum Westen gewesen – es war eine der größten jüdischen Gemeinden Europas. Nach der Pogromnacht war klar, dass ein normales Leben für Jüdinnen und Juden in Wien nicht möglich war. Alle Wiener Synagogen und Bethäuser wurden zerstört – bis auf den Stadttempel in der Seitenstettengasse. Fast 2000  Wohnungen wurden in Wien geräumt, 4.000 Geschäfte zerstört. 27 Menschen wurden ermordet und rund um die Pogromnacht kam es zu rund 680 Selbstmorden.

Die Nationalsozialisten waren die treibende  des Pogroms, aber viele schauten zu, waren beteiligt, bereicherten sich. Das Ausmaß des Novemberpogroms ging schließlich weit über das hinaus, was von seiten des Regimes geplant war. Die Linie des Möglichens hatte sich verschoben. Wer eben noch Nachbar war, konnte vertrieben und ermordet werden. Der November 1938 zeigt uns: Von der Gewalt der Worte ist es nur ein kurzer Weg zur Gewalt der Taten. Der November 1938 ist damit bei weitem nicht nur Geschichte.

Mehr Informationen

Gerhard Botz zum Novemberpogrom (Der Standard 9.11.2018)

Novemberpogrom – Wien Geschichte Wiki

Plattform Novembergedenken

Lichtsignal Synagoge Liesing – 80 Jahre Novemberpogrom

Bild_Plakat

Vielen ist heute nicht mehr bewusst, dass nur wenige Meter vom Zentrum Liesings entfernt bis zum November 1938 eine Synagoge bestand.

80 Jahre nach dem Novemberpogrom wollen wir den von Nationalsozialisten zerstörten Atzgersdorfer Tempel wieder sichtbar machen und damit ein Lichtsignal des Gedenkens setzen: Für einen Abend projizieren wir virtuelle Rekonstruktionen der Synagoge: auf das Liesinger Amtshaus und auf das Gebäude in der Dirmhirngasse 112, das sich heute auf dem Grundstück der ehemaligen Synagoge befindet.

Die Veranstaltung beginnt um 18.30 beim Amtshaus am Liesinger Platz. Im Anschluss bilden wir eine Lichterkette zur 400 Meter entfernten Synagoge in der Dirmhirngasse. Dort befindet sich nun auch die Lichtskulptur OT, die einen verflochtenen Davidstern zegit. Dieses Projekt „Lichtzeichen Wien“ entstand in Zusammenarbeit des Jüdischen Museum und der Universität für Angewandte Kunst.

Freitag, 9.11.2018, 18.30 (Projektionen bis 22.00 Uhr)
Beginn um 18.30 am Liesinger Platz
Projektionen: Liesinger Platz und Dirmhirngasse 112, 1230 Wien
Öffentlich erreichbar: S-Bahn und Bus-Stationen Liesing

Danke an die Unterstützer!
Die Veranstaltung wird von der Bezirksvertretung Liesing und der Gedenkjahr-Initiative Österreich100 im Bundeskanzleramt finanziell unterstützt. Lichtsignal Synagoge Liesing ist außerdem der Beitrag des Bezirks Liesing zu „20 Jahre Lokale Agenda 21“. Prof. Bob Martens und DI Herbert Peter stellen uns für die Projektionen digitale Rekonstruktionen der Synagoge zur Verfügung. Die Firma Kerkoc ermöglicht freundlicherweise die Lichtinstallation bei ihrem Unternehmensgebäude in der Dirmhirngasse. Die Firma Prangl unterstützt mit einer Hebebühne die Projektion am Liesinger Platz. Vielen Dank auch an Maria Weilguni, die unsere Einladungen gestaltet hat und vor allem an Erich Kulicska von Eventtechnik.com  – ohne seine Unterstützung wären die Projektionen nicht möglich.

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Zum Projekt OT
Ein urbanes Gedenkprojekt des Jüdischen Museums Wien in Kooperation mit der Universität für Angewandte Kunst Wien setzt ein einheitliches und künstlerisch gestaltete Lichtzeichen an die Stelle der 1938 zerstörten Synagogen und Bethäuser Wiens. Das Projekt OT ist zivilgesellschaftlich und generationenübergreifend an der Nahtstelle von Wissenschaft, Kunst und Vermittlung sowie zwischen Museum, Universität und privater Initiative entstanden.

Die fünf Meter hohe Sternstele des Künstlers Lukas Kaufmann aus der Klasse Transmediale Kunst an der Universität für angewandte Kunst trägt einen ineinander verflochtenen leuchtenden Davidstern. Am 8. November 2018, im Rahmen des Gedenkens an das Novemberpogrom, werden die Stelen an ihren vorgesehenen Standorten in Wien aufgestellt und permanent in Betrieb genommen. Eine in den Masten eingravierte Inschrift verweist auf den Namen der jeweiligen Synagoge und die gewaltsame Zerstörung durch die Nationalsozialisten, über einen QR-Code auf der Stele können Visualisierungen der rekonstruierten Synagoge abgerufen werden.

OT“ steht in der hebräischen Sprache für das deutsche Wort „Symbol“ oder „Zeichen“. Im frühen Judentum hat es aber nicht nur diese Bedeutung, sondern ist auch ein spirituelles Merkmal der Beziehung zwischen Gott und Mensch.

Mehr Zum Projekt OT

Mehr zur Synagoge Liesing und ihrer virtuellen Rekonstruktion

Facebook-Veranstaltung

Die Synagoge Liesing und ihre virtuelle Rekonstruktion

Die Synagoge wurde im Jahr 1900 vom Bethausverein Minjan in der Karlsgasse in Atzgersdorf errichtet, das damals noch eine selbständige Vorstadtgemeinde war und erst 1938 zu Wien kam.

Architekt war Richard Esriel, der vor allem Mietshäuser und Villen realisierte, viele seiner Wohnhäuser stehen noch. Die Synagoge in Liesing war sein einziges öffentliches Gebäude. Richard Esriel wohnte mit seiner Frau Dora in der Anna Villa in Perchtoldsdorf (Hochstraße 55), das Gebäude ist noch erhalten. Zwei seiner Töchter wurden während der NS-Zeit ermordet, er selbst starb nach einer langen Erkrankung im Jahr 1938.

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Der Einreichplan der Synagoge

005044_recto_Scan_JMW_Jüdisches Museum Wien- Archiv.jpgEine Postkarte mit dem ursprünglichen Gebäude der Synagoge (Quelle: Jüdisches Museum Wien- Archiv)

Das Gebäude verfügte über drei Geschoße und zwei Ecktürme mit Kuppeln, zur Straße hin befand sich ein kleiner Vorgarten. In eigenen Bereichen gab es jeweils 120 Frauen- und Männersitze. 1922 wurde die Synagoge umgebaut, wodurch sich die Hauptfassade wesentlich veränderte. Der Eingang war danach nur noch über den rechten Turm möglich.

Es kamen hier Juden aus dem Raum Liesing und Perchtoldsdorf zusammen. Die nächsten Synagogen waren in Mödling und in der Eitelbergergasse in Hietzing. Alle diese Synagogen wurden Opfer des Novemberpogroms 1938.

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Die Synagoge nach dem Umbau 1922 (Quelle: Bezirksmuseum Liesing)

Zerstörung der Synagoge 1938
Die Liesinger Synagoge wurde in Folge der Pogromnacht des 9. Novembers 1938 zerstört. Die Bezirkshauptmannschaft Mödling-Liesing vermerkte, dass am 10. November 1938 „von unbekannten Tätern“ ein Brand gelegt worden war. Das Gebäude wurde am 10. November 1938 nachmittags durch mehrere Sprengladungen zerstört. Es war  Feuerwehr vor Ort, sie verhinderte lediglich das Übergreifen des Feuers auf andere Gebäude.

Noch im November 1938 wurde ein Bescheid erlassen, die Baureste der Brandruine zu demolieren. Im Jahr 1942 wurden am Grundstück Notwohnungen errichtet. Die Broschüre „Der 9. November 1938 in Liesing“ von Dr. Gerald Netzl schildert die Geschehnisse rund um das Novemberpogrom, sie enthält auch ein Interview mit einem Zeitzeugen und Behördenniederschriften.

Nach dem Ende des NS-Zeit wurde das Grundstück der Israelitischen  Kultusgemeinde Wien übertragen, die es veräußerte. Heute befindet sich am Grundstück ein Gebäude der Firma Kerkoc, die Adresse ist Dirmhirngasse 112.

Die virtuelle Rekonstruktion der Synagoge
Prof. Bob Martens von der TU Wien und DI Herbert Peter haben unter Beteiligung von StudentInnen die zerstörten Wiener Synagogen virtuell rekonstruiert. Die Grundlage dafür waren Planunterlagen und historische Abbildungen. Mit Hilfe von Software-Programmen wurde zunächst 3D-Modelle der räumlichen Strukturen erstellt und anschließend visualisiert. Das Ergebnis sind fotorealistische Ansichten dieses nicht mehr existenten Gebäudes. Das Buch „Die zerstörten Synagogen Wiens“, das als virtueller Stadtspaziergang konzipiert ist, stellt diese Aufbereitung vor.

Für die Projektionen bei der Gedenkveranstaltung am 9. November 2018 stellen Prof. Bob Martens  und DI Herbert Peter diese computergestützten Darstellungen der Synagoge Liesing zur Verfügung.

Die Rekonstruktionen sämtlicher Wiener Synagogen sind im Jüdischen Museum Wien zu sehen. Eine eigene Installation ermöglicht dort, die Synagogen-Gebäude selbständig virtuell zu besuchen. Eine ähnliche Möglichkeit besteht auch im Haus der Geschichte in St. Pölten.

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Virtuelle Rekonstruktion der Synagoge in Liesing (Quelle: Martens/Peter TU Wien)

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Virtuelle Rekonstruktion des Innenraums (Quelle: Martens/Peter TU Wien)

Die Synagoge im Umfeld (Quelle: Martens/Peter TU Wien)

Weitere Informationen

Das Novemberpogrom in Liesing und Wien

Novemberpogrom am 9. November 1938 in Rodaun, Liesing & Mödling (Gerhard Metz) – Rodauer Pfarrblatt, Treffpunkt (PDF)

Die Synagoge Atzgersdorf / Liesing (Mag. Heide Liebhart) – Beitrag in der Kulturzeitschrift David

Über die virtuelle Rekonstruktion von Wiener Synagogen (Prof. Bob MARTENS) – Beitrag in der Kulturzeitschrift David

Diplomarbeit: Die virtuelle Rekonstruktion der Synagoge Atzgersdorf (DI Franziska Graber) – TU Wien

Die virtuelle Rekonstruktion der Synagoge Atzgersdorf (DI Franziska Graber) – Beitrag in der Kulturzeitschrift David

Der Atzgersdorfer Tempel beim Projekt OT – Lichtzeichen

Mehr zu Richard Esriel im Architektenlexikon

Die Broschüre „Der 9. November 1938 in Liesing“ von Dr. Gerald Netzl ist über den Verein Steine der Erinnerung in Liesing erhältlich.

Hanna Sukare: Schwedenreiter – Gespräch und Lesung am 8. November 2018 ab 18 Uhr in der Nr. 99 Buchhandlung im Kaufpark Alterlaa

Am 2. Juli 1944 begann der so genannte Sturm auf die Goldegger Deserteure. 14 Todesopfer fordert die von einem Großaufgebot von SS und Gestapo durchgeführte Suche. Die 2008 erschienene Ortschronik bezeichnet die Wehrmachtsdeserteure als „gefährliche Landplage“ und kürt einen SS-Mann zum Retter des Ortes.
Hanna Sukare setzt sich in ihrem Roman u. a. mit diesem Ereignis intensiv auseinander.

Hanna Sukare, geboren 1957 in Freiburg (i.Br.). Sie studierte Germanistik, Rechts-wissenschaften, Ethnologie. 1991/92 führte sie ein Forschungsaufenthalt nach Lissabon. Hanna Sukare war unter anderem als Journalistin, Redakteurin (Falter, Institut für Kulturstudien) und Wissenschaftslektorin tätig und beschäftigte sich in wissenschaftlichen Studien mit dem gesellschaftlichen Fundus des Fremden. Hanna Sukare gewann mit ihrem Debüt-roman „Staubzunge“ den Rauriser Literaturpreis 2016 für die beste Prosa-Erstveröffentlichung in deutscher Sprache.

Eine Veranstaltung im Rahmen des Lesefestes der Buch Wien